Kennen Sie zum Beispiel die Müller-Lyer-Illusion? Wahrscheinlich ja. Zwei Linien, die übereinander liegen, die obere mit Pfeilspitzen an ihren Enden, die untere mit Schwanzflossen. Ihre Wahrnehmung sagt Ihnen sofort: Die untere Linie ist länger. Doch wenn Sie nachmessen, stellen Sie fest: Beide Linien haben exakt das gleiche Ausmaß. Ihr erster Eindruck hat Sie in die Irre geführt. Er ist unterbewusst entstanden, und das bewusste Nachmessen hat ihn widerlegt. So weit, so gut. Sie wissen ja jetzt, dass beide Linien gleich lang sind. Fragt man Sie danach, dann werden Sie dieses Wissen nutzen. Und trotzdem: Die untere Linie erscheint Ihnen nach wie vor als die längere. Sie haben sich entschieden, Ihrer Messung zu glauben. Aber Sie können Ihre Wahrnehmung nicht so verändern, dass Sie beide Linien gleich lang sehen. Obwohl Sie wissen, dass dies so ist.
Genauso wie mit den Linien geht es uns auch mit Menschen. Wir sehen in ihnen das, was unsere Faustregeln aus ihnen machen. Wirken sie kompetent? Können wir ihnen vertrauen? Sind sie uns sympathisch? Antworten wir dreimal mit „ja“, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir – bewusst oder unbewusst – glauben und tun, was sie beabsichtigen.
Die zugrunde liegenden Prinzipien besitzen eine enorme Steuerungskraft für unser Denken und Handeln. Sie begegnen uns so früh in unserem Leben und sind so allgegenwärtig, dass wir uns gar nicht bewusst sind, wie sehr sie uns beeinflussen. Für diejenigen jedoch, die sich diese Prinzipien vergegenwärtigen, sind sie ein nützliches Instrumentarium, um das Denken und Handeln anderer Menschen im eigenen Sinne zu lenken.
Dient das Modell der Impact-Theorie also dazu, andere zu manipulieren? Indem man falsche Weltbilder von sich aufbaut? Indem man sich also anders darstellt als man ist?
Wie jedes Instrument kann man auch das Modell der Impact-Theorie für gute oder für schlechte Zwecke einsetzen. Das kommt sehr auf den jeweiligen Charakter, auf die Persönlichkeit desjenigen Menschen an, der es verwendet und für seine Zwecke nutzt. Gerade diese Zweischneidigkeit verdeutlicht den praktischen Nutzen des Modells: Es ist nicht zuletzt auch für diejenigen hilfreich, die sich vor einer unlauteren Einflussnahme schützen wollen. Sie können ihre wunden Stellen erkennen, an denen sie besonders leicht zu manipulieren sind. Und sie können sich dagegen wappnen. Sie müssen – um im obigen Bild zu bleiben – lernen, ihrer Wahrnehmung von Linien zu misstrauen, wenn diese Pfeilspitzen und Schwanzflossen haben.
Aber das Modell ist eben auch für diejenigen Menschen von Nutzen, die zwar gut und rechtschaffen sind, deren Gutsein aber nicht die Wirkung entfaltet, die sie sich erhoffen und die sie auch verdienen. Wenn etwa Kollegen mit meinen Ideen hausieren gehen. Oder wenn ich bei meinen Vorgesetzten erst gar nicht die nötige Aufmerksamkeit bekomme, um meine Ideen vorzutragen.